Welche Ursachen kann Bulimie (Ess-Brech-Sucht) haben?
Bulimie ist das Thema, dem ich mich mit Leib und Seele verschrieben habe. Ich war selbst fast 20 Jahre betroffen und bin seit 2014 frei. Mit meinen persönlichen Erfahrungen möchte ich heute anderen Menschen dabei helfen, aus dem Teufelskreis dieser Erkrankung auszusteigen. Denn du bist nicht allein.
In diesem Artikel geht es um die Frage, welche Auslöser eine Bulimie-Erkrankung haben kann und welche Personen besonders betroffen sind.
Bulimie: Viel mehr als nur eine Essstörung
Bulimie, wissenschaftlich auch Bulimia nervosa genannt, ist eine ernsthafte, potenziell lebensbedrohliche Essstörung, die durch einen Zyklus von Fressattacken und anschließenden Gegenmaßnahmen wie Erbrechen, übermäßigem Sport oder Missbrauch von Abführmitteln gekennzeichnet ist. Jedoch geht sie noch weit darüber hinaus.
Ich spreche aus eigener, schmerzhafter Erfahrung, denn fast 20 Jahre lang habe ich mit dieser Krankheit gelebt und darunter gelitten. Heute, nach fast zwei Jahrzehnten der Erholung, teile ich mein Wissen und meine Erfahrungen, um anderen Menschen zu helfen, den Weg aus der Bulimie zu finden.
Aus wissenschaftlicher Sicht wird Bulimie als eine psychische Erkrankung betrachtet, die tief im Bewusstsein der Betroffenen verwurzelt ist. Sie steht oft in Verbindung mit einer verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körpers und einem extremen Bedürfnis nach Kontrolle, nicht nur über das eigene Gewicht und die Nahrungsaufnahme.
Forschungen zeigen, dass Bulimie durch eine Kombination aus genetischen, biologischen, umweltbedingten und psychosozialen Faktoren ausgelöst werden kann. Dazu gehören unter anderem familiäre Prädispositionen, traumatische Erlebnisse und der Einfluss von Medien und Kultur, die unrealistische Körperideale fördern.
Zur Behandlung ist ein multidisziplinärer Ansatz erforderlich, der Psychotherapie, Ernährungsberatung, medizinische Überwachung und viele andere Maßnahmen umfassen kann.
Es ist wichtig, dass wir Bulimie nicht nur als eine Störung des Essverhaltens, sondern als ein komplexes psychisches Suchtverhalten verstehen, das eine ganzheitliche und empathische Behandlung benötigt.
Der Teufelskreis der Bulimie
Die Bulimie, über die ich schreibe, ist ein Teufelskreis aus Fressattacken und erzwungenem Erbrechen – ein Zustand, den ich als 'Fressen und Kotzen' beschreibe. Ich verwende hier ganz bewusst das Wort “Kotzen”, denn in der Bulimie geschieht dies mit einer ganz anderen Energie, als wenn man sich beispielsweise eine Magen-Darm-Grippe einfängt.
Es ist eine extreme Form der Kontrolle über das eigene Leben.
Dem Thema, warum Bulimie ein Teufelskreis ist und wie man daraus entkommt, habe ich einen eigenen Artikel gewidmet, den du hier findest.
Es gibt nicht DIE eine Ursache für Bulimie
Ich habe seit 2018 mehr als 400 Frauen auf ihrem Weg aus der Bulimie begleitet. Aus diesen Erfahrungen kann ich sagen, dass es nicht DEN einen Grund für die Entstehung dieser Krankheit gibt. Im Gegenteil, es gibt unzählige Ursachen.
Meine eigene Geschichte
In meinem Fall waren es ebenfalls verschiedene Faktoren, die zur Entwicklung der Bulimie beitrugen. Meine Kindheit war relativ wohlbehütet, es fehlte mir allerdings an Vertrauen und tiefer Bindung zu meinen Eltern. Hinzu kam, dass es in meinem Elternhaus oft zu Streit kam.
Ich war ein sehr neugieriges und wissbegieriges Kind, doch meistens wurde mir nur gesagt, dass ich still sein und keine dummen Fragen stellen soll. Nach unzähligen Zurechtweisungen hatte ich irgendwann das Gefühl, nie gut genug für die Erwachsenen zu sein und zog mich immer mehr in mich selbst zurück.
Es ging mir zwar körperlich gut und ich hatte materiell gesehen alles, was man zum Leben braucht, aber ich fand zu Hause kaum ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit.
Bitte versteh mich nicht falsch – ich möchte meinen Eltern keine Vorwürfe machen oder die Schuld für irgendetwas zuweisen. Ich möchte nur deutlich machen, wie wichtig es ist, seinen Kindern das Gefühl zu vermitteln, angenommen und geliebt zu sein und ihnen in jeder Lebenslage einen Rückzugsort zu bieten.
Mit 16 Jahren wurde ich Opfer einer Vergewaltigung. Ein absolut traumatisches Erlebnis, das mein bis dahin recht positives Weltbild tief erschüttert hat. Rückblickend betrachtet war dies der Auslöser für meine Bulimie-Erkrankung.
Ich hatte niemanden, mit dem ich über diese furchtbare Erfahrung sprechen konnte und habe kurz darauf damit angefangen, mir selbst die Schuld zu geben. Weil ich mit diesem Gefühl alleine absolut nicht umgehen konnte, rutschte ich zunächst kurz in die Magersucht und anschließend in die Bulimie. Meine ganze Geschichte kannst du hier nachlesen.
Was sind die häufigsten Ursachen bzw. Auslöser für Bulimie?
Missbrauch und das Gefühl, alleine zu sein und niemanden zu haben, mit dem man offen sprechen kann, können eine Ursache für Bulimie sein. Ich kenne jedoch auch eine Vielzahl von Menschen, die absolut behütet und liebevoll aufgewachsen sind und trotzdem in die Bulimie abgerutscht sind, weil sie ihren eigenen Wert nicht sehen können und unfähig sind, Liebe von aussen anzunehmen.
Die Entstehung von Bulimie wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die miteinander interagieren. Es gibt sowohl Ursachen als auch Auslöser, die sich jedoch nicht immer klar voneinander trennen lassen.
Als Ursachen gelten jene Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine Person an Bulimie erkranken könnte. Diese können folgende Themen umfassen:
- Biologische und physische Aspekte wie genetische Prädispositionen oder häufige Diäten.
- Traumatische Erfahrungen wie Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit.
- Bestimmte Charaktereigenschaften, darunter geringes Selbstwertgefühl, Perfektionismus oder übermäßige Sorgen um das eigene Aussehen und Gewicht.
- Risiken innerhalb der Familie, beispielsweise gestörte Essgewohnheiten, Essstörungen bei Familienmitgliedern oder ein übermäßiger Fokus auf Gewicht und Aussehen.
- Gesellschaftliche Einflüsse, insbesondere vorherrschende Schönheitsideale.
Als mögliche Auslöser werden spezifische Situationen oder Ereignisse bezeichnet, die eine Bulimie auslösen können. Dazu gehören unter anderem:
- Intensiver Stress, etwa durch Ereignisse wie eine Trennung, den Verlust einer geliebten Person, Umzug oder Mobbing.
- Die Pubertät mit ihren körperlichen Veränderungen und neuen Herausforderungen.
- Körperliche Bedingungen, die Diäten erforderlich machen, wie zum Beispiel Typ-1-Diabetes oder bestehendes Übergewicht vor der Erkrankung.
Personen, die Leistungssport betreiben, primär in Disziplinen, in denen Schlankheit (wie z. B. Ballett oder Turnen) oder Körpergewicht (zum Beispiel Triathlon oder Kampfsport) zentral sind, tragen ein erhöhtes Risiko, an Bulimie zu erkranken.
Ich habe in den letzten Jahren schon alles gesehen und weiss, dass die Ursachen für Bulimie genauso vielfältig sind wie die Ansätze, die es gibt, um den Weg aus der Bulimie zu finden.
Die Ursachen, mit denen ich in den letzten Jahren am häufigsten in Berührung gekommen bin, möchte ich dir im Folgenden noch etwas näher beschreiben.
1. Kontrolle und Macht
In meinem fast zwanzigjährigen Kampf gegen die Bulimie habe ich oft gespürt, wie sehr diese Krankheit mit dem Bedürfnis nach Kontrolle und Macht verknüpft ist.
Menschen mit Bulimie haben oft das Gefühl, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Es ist, als ob man ständig auf einem dünnen Seil balanciert, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, sein Leben fest im Griff zu haben und gleichzeitig die Kontrolle darüber zu verlieren.
Durch das Kotzen und masslose Essen finden viele einen Weg, um diese Kontrolle und Macht zurückzugewinnen.
In unserer Gesellschaft fühlen sich Menschen mit Bulimie, insbesondere Frauen, oft unterdrückt und kontrolliert. Sie stehen unter hohem Leistungsdruck und denken, sie müssen bestimmten Schönheitsidealen entsprechen.
All diese Erwartungen und Anforderungen können zu einem immensen Druck führen, der letztendlich durch die Bulimie sein Ventil findet.
2. Kindheit und Schulzeit
Der Leistungsdruck beginnt häufig bereits in der Kindheit. Kinder werden bewertet und korrigiert, wenn sie etwas vermeintlich falsch machen. Das kann zu einem ersten Riss im Selbstbewusstsein und dem Vertrauen in die eigene Wahrnehmung führen.
Eltern haben oft hohe Erwartungen an ihre Kinder und setzen ihnen damit zu früh Grenzen oder fordern (oft ihre eigenen unerfüllten) Wünsche und Ziele ein, die jedoch häufig nicht denen der Kinder entsprechen. Diese Vorgaben betreffen oft nicht nur das Aussehen und Verhalten, sondern auch die Ernährung. Kinder werden meist aus Unwissen zum Aufessen oder zu bestimmten Essensgewohnheiten gezwungen. Einschränkungen wie diese können dazu führen, dass Kinder nicht mehr auf ihren Körper und ihre eigenen Bedürfnisse hören.
Solche frühen Erfahrungen prägen uns auf subtile Weise. Sie lehren uns, dass wir nicht gut genug sind, so wie wir sind, und dass unsere Bedürfnisse und Wahrnehmungen zweitrangig oder sogar falsch sind.
3. Social Media
Auch der Perfektionismus und Leistungsdruck, mit dem wir oft schon in sehr jungen Jahren durch äussere Einflüsse konfrontiert sind, kann einen Menschen in die Bulimie treiben. Wir bekommen durch Social Media unerreichbare Schönheitsideale und perfekte Leben vorgespielt.
Gerade als Heranwachsende haben wir noch nicht die Fähigkeit, solche Eindrücke ausreichend zu reflektieren, sehen sie als DAS Ideal schlechthin an und fühlen uns dadurch selbst ungenügend und minderwertig. Dies kann dazu führen, dass schon 12- oder 13-jährige eine Essstörung entwickeln oder Mädchen mit 8 bereits ihre erste Diät machen.
Wir versuchen, den Erwartungen der Gesellschaft gerecht zu werden, indem wir einen perfekten Schein im Aussen aufbauen. Wir gaukeln Gesundheit, Schönheit und Erfolg vor.
Auch für Erwachsene kann dieser Druck, in allem perfekt sein zu müssen und nie zu genügen, eine unglaublich grosse Belastung darstellen, die in der Bulimie resultieren kann.
4. Beziehungen als Erwachsene
Genauso können toxische Partnerschaften ein Auslöser für die Krankheit sein.
Gerade Menschen, die schon unter Bulimie leiden, suchen sich als Erwachsene oft Beziehungen oder Partner, die ihnen – genau wie die Krankheit – gefühlt Druck und Kontrolle aufzwingen. Sie fühlen sich fast schon abhängig von diesem Kontrollmechanismus und haben verlernt, ein eigenständiges Leben zu führen. Sie haben Angst davor, ihre eigene Meinung zu äussern oder Entscheidungen zu treffen.
Diese Partnerbeziehungen verstärken den bestehenden Druck und halten die Bulimie oft über Jahrzehnte aufrecht.
Wege aus der Bulimie: Hoffnung und Heilung
Ich versichere dir, dass es, ganz egal, was der Auslöser war, möglich ist, den Ausstieg aus der Bulimie zu schaffen. Es ist auch nach vielen Jahren in der Sucht noch möglich, ein zufriedeneres, gesünderes Leben zu führen. Ich habe es selbst nach fast 20 Jahren geschafft. Und habe schon viele Menschen nach jahrelangem Leiden auf ihrem Weg in ein neues, glückliches, erfülltes und selbstbestimmtes Leben begleitet. Es ist für jeden möglich. Immer. Auch für dich!
Gemeinsam gegen Bulimie
Bulimie ist eine komplexe Essstörung mit individuellen Ursachen. Es ist wichtig, Missverständnisse zu beseitigen und über die Bulimie aufzuklären. Mit professioneller Hilfe und individueller Unterstützung ist der Weg zur Freiheit möglich. Wenn du oder jemand, den du kennst, von Bulimie betroffen ist, zögere nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Du bist nicht allein.
In diesem Artikel erfährst du, was meinen ganzheitlichen Ansatz von anderen Therapieformen unterscheidet.
Deine Fragen und Anliegen
Ich hoffe, dieser Beitrag konnte dir einige Einblicke und Informationen über das Wesen der Bulimie schenken. Wenn du weitere Fragen oder Anmerkungen hast, bzw. wenn du Unterstützung brauchst für deinen Weg zurück ins Leben, stehe ich dir von Herzen gerne jederzeit zur Verfügung.
Wenn du jemanden suchst, der dir dich wirklich versteht, buche dir jetzt dein einmalig kostenloses Freiheitsgespräch:
Von Herzen alles Liebe
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